Pannen-Papa und Mega-Mutti oder wie man die Geschlechter spaltet

Edekas reaktionärer Muttertags-Spot und der kalkulierte Skandal auf Kosten eines modernen Familienmodells

Zum Muttertag 2019 hat die Hamburger Agentur Jung von Matt für EDEKA einen Werbespot gemacht, der die Gemüter erhitzt. Hier ein Statement von Lars Henken, Geschäftsführer VÄTER e.V.

Jung von Matt ist eine bekannte und renommierte Hamburger Werbeagentur. In der Vergangenheit hat sie für EDEKA unter anderem mit dem Weihnachtsspot einen kontroversen Film produziert, der mit schwarzem Humor sehr drastisch eine bittere, aber wichtige Botschaft transportiert hat: Vergesst eure Alten nicht. Ähnlich Aufrüttelndes erwartete man also zurecht, als der Muttertags-Spot nun erschien. Doch diesmal ist es anders. Das einzig Positive an diesem Werbefilm ist die überwiegend empörte Reaktion darauf. Denn sie zeigt, dass die Gesellschaft in ihrer Auffassung von Familie schon weiter ist als die Macher bei Edeka und Jung von Matt. 

Doch der Reihe nach. Um zu verstehen, was da eigentlich passiert, lohnt sich ein Blick in die Dramaturgie des Spots. Was sehen und hören wir in diesem Stück Werbegeschichte unter dem Titel „Wir sagen danke“? In Schwarzweiß werden wir Zeugen des vielfachen Scheiterns von Vätern in familiären Situationen. Da werden verfilzte Mädchenhaare unsachgemäß und schmerzend gebürstet, der Vater schmeißt der Tochter den Basketball ins Gesicht, der Teenager-Sohn wird beim Masturbieren vorm Laptop peinlich überrascht, Papa zeigt sich hässlich und behaart im Bad, schläft ein, wenn das Kind etwas von ihm will, und er frisst heulend Chips vorm Fernseher. Dazu hören wir von Kindern gesprochen ein vielfaches „Danke“ für Feingefühl, richtiges Timing, Schönheit. Dieses beliebte Verfahren nennt man eine „Text-Bild-Schere“. Was wir sehen und was wir hören, ist einander entgegengesetzt und verursacht so Ironie. Und das macht der Spot gekonnt und souverän. Man merkt, da sind Profis am Werk, die wissen, wie man eine solche Text-Bild-Schere amüsant in Szene setzt und wie man mit Klischees spielt, indem man sie drastisch zuspitzt. Aber dann kommt der Moment auf dem Sofa, in dem sich das Kind vom heulend Chips fressenden Vater ab- und der cleanen, attraktiven Mutter zuwendet und sagt: „Danke, Mama, dass du nicht Papa bist.“ Und wir bemerken: All das bisher Gesagte bezog sich gar nicht ironisch auf die Väter, sondern war ernst und an die Mütter adressiert. 

Was bewirkt diese Pointe? Sie bewirkt, dass alles bis hierher Gesagte und Gezeigte ins Gegenteil umkippt. Aus der Ironie wird ernst gemeinte Aussage. Jede Unzulänglichkeit der Väter ist genau so gemeint, wie sie uns gezeigt wurde. Und die souveräne Mutter ist die einzige Person, die alles im Griff hat und mithin das Vertrauen des Kindes verdient, während Vertrauen in den Vater nur zur Enttäuschung führt. So sehr die Väter sich abmühen – alles geht schief, während die Mutter einzig und allein durch ihre Anwesenheit den Familienfrieden sichert. 

Nun ist die Verulkung von tollpatschigen Vätern im Familienkontext an sich schon dermaßen 80er, dass man einfach abwinken könnte. Aber dieser Spot ist aus dem Jahr 2019, und er tut mehr als überkommene Klischees zu reproduzieren. Er dreht das Rad zurück. Er ist reaktionär. Während immer mehr (doch immer noch zu wenige) Väter gleichberechtigte Familienmodelle bevorzugen und diese im Alltag umsetzen, haut der Spot uns diese Tendenz als sinnloses Unterfangen um die Ohren: „Ach Papa, hör auf, du hast es nicht drauf. Gegen Mutti hast du eh keine Chance.“ 

Dass da nicht nur den allein und hauptverantwortlich erziehenden Vätern die Halsschlagader schwillt, ist mehr als verständlich. Die Dramaturgie dieses Spots behauptet nicht Geringeres als dies: Die moderne Familienkonstellation mit gleichberechtigten und gleich verpflichteten Elternteilen ist eine gescheiterte Illusion. Warum? Weil Väter ungeeignet sind, sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern. Der Spot ermutigt Väter, sich in Zukunft aus der Familienarbeit herauszuhalten und sich wieder auf das zu konzentrieren, was sie können – was immer das auch sein mag. 

Was ist die Konsequenz aus dieser Haltung? Männer werden reduziert auf die Rolle des Deppen, der bestenfalls zur Geldbeschaffung taugt und Frauen werden reduziert auf die perfekte Mutter. Damit sitzt Edeka zwischen allen Stühlen: Die Feministinnen sind zurecht sauer, weil die letzten 40 Jahre ihrer Emanzipationsbestrebungen schlicht ignoriert werden, und die engagierten Väter sind sauer, weil ihre gesellschaftspolitisch revolutionären Bemühungen regelrecht verarscht werden. Dazu kommt, dass Männer und Frauen gegeneinander ausgespielt werden. Das kann man im Werbekontext natürlich so machen. Aber dann muss man sich auch anhören, wie das bei den Rezipienten ankommt. Und da das drastische Zuspitzen im Hause Jung von Matt ja Tradition hat, sei der Agentur abschließend in ähnlich zynischem Ton entgegnet: Mit der Nummer habt ihr euch das Mutterkreuz verdient.